KOMMUNALPOLITIK SPD schließt ein Bündnis mit den Grünen, BFB, Linken und EBI – 23 Sitze insgesamt Neue Gruppe kommt
im Kreistag auf 23 von 42 Sitzen. SPD spricht von einer „stabilen Mehrheit“.
Quelle: Anzeiger für Harlingerland, Wittmund vom 29.9.2016

WITTMUND – Die Zeiten einer Großen Koalition aus Christund Sozialdemokraten im Wittmunder Kreistag sind bald vorbei. Die neue SPD-Fraktion hat am Dienstagabend einstimmig beschlossen, eine
Gruppe Rot-Grün-Plus zu bilden. Sie besteht neben der SPD aus den Grünen (drei Sitze) sowie Herbert Potzler (Bürger für Bürger/BFB), Bernd Mayer (Linke) und Heiko Reents (Esenser Bürgerinitiative/ EBI). Gemeinsam kommt diese Gruppe auf 23 Sitze. „Das ist bei 42 Abgeordneten im Kreistag eine stabile und sichere Mehrheit, die wir immer gefordert haben. Darin finden sich insbesondere die Fraktionen und Abgeordneten wieder, die Holger Heymann im Landratswahlkampf
unterstützt haben und spiegelt dadurch den Wählerwillen wider“, so der alte und künftige SPD-Fraktionsvorsitzende Heinz Buss. Die SPD habe mit allen Gruppen im Kreistag gesprochen, außer mit der AfD. Buss: „Auch über eine mögliche Konstellation SPD/CDU und Grüne ist diskutiert worden, das haben die Grünen aber abgelehnt.“ Der CDU-Kreisvorsitzende Dirk Gronewold zeigte sich
gestern enttäuscht und überrascht, dass die SPD auch den Linken Bernd Mayer mit ins Boot nehmen wird. „Das war von Seiten der SPD bisher anders dargestellt worden. Er bedaure, so Gronewold, dass die Sozialdemokraten die gemeinsame Politik mit der CDU nicht fortsetzen möchten. „Bei den Themen Infrastrukturund Breitbandausbau, Krankenhaus- Zukunft und mehr liegen wir auf einer Linie.“ Martin Mammen, Kreistagsabgeordneter der Grünen, setzt darauf, dass sich die CDU auch in ihrer neuen Rolle einer Sacharbeit nicht verschließen wird. Bei großen Fragen – etwa zur weiteren Entwicklung des Krankenhauses – blieben breite Mehrheiten das Ziel. Der SPD attestierte Mammen den Mut zum politischen Wechsel: „Ich bin sehr froh, dass die SPD diese Entscheidung getroffen hat.“ Auf Kreisebene mitzugestalten – das habe man sich bei den Grünen immer gewünscht. An der Seite von SPD und CDU hätten die Grünen sich nicht eingebracht. Die Mehrheit im Kreistag wäre dann so groß gewesen, dass es die drei Grünen- Mandate nicht mehr gebraucht hätte.

„Neue Mehrheiten beleben die Diskussion“
KOMMUNALPOLITIK Neue Gruppe Rot-Grün-Plus im Wittmunder Kreistag geht selbstbewusst an den Start

Morgen beginnen Gespräche über die inhaltlichen Schwerpunkte. CDU zeigt sich enttäuscht.
VON MANFRED HOCHMANN
UND KLAUS-DIETER HEIMANN
WITTMUND – Die neue Konstellation im Kreistag hatte sich angedeutet, seit Dienstagabend ist sie Fakt: Die SPD bildet mit Grünen, Linke und EBI eine neue Mehrheitsgruppe Rot-Grün-Plus und beendet damit die zehnjährige Zusammenarbeit mit der CDU „Mit dieser Entscheidung begehen wir neue Wege in der Landkreispolitik. Neue Mehrheiten werden die Diskussion im Kreistag beleben“, heißt es in einer Pressemittelung der SPD-Kreistagsfraktion. Der designierte Landrat Holger Heymann
(links) sagte: „Ich kann die Entscheidung meiner Fraktion nachvollziehen – alle, die mich im Landratswahlkampf unterstützt haben, sind jetzt in einer Gruppe.“ Die Mehrheit – inklusive seiner
Stimme – halte er für sehr stabil. Heymann: „Im Landtag regieren wir mit nur einer Stimme Mehrheit, selbst das funktioniert mit Disziplin.“ Er werde als Landrat aber bestrebt sein, einvernehmliche Beschlüsse herbeizuführen. Auf der anderen Seite aber gebe es zu gewissen Themen durchaus
unterschiedliche Meinungen, etwa zum Nahverkehr, E-Mobilität, Bildung/Inklusion, Umwelt und Naturschutz, nannte Heymann einige Beispiele. „Für die Demokratie ist es wichtig, dass lebendig diskutiert wird.“ Die SPD stehe für einen sachlichen Dialog und „verständliche Politik im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung des Landkreises“, heißt es in der Mitteilung der Fraktion. Neue Ideen und verlässliches Handeln seien für die SPDFraktion Grundlage einer bürgernahen Politik. Man werde
versuchen, bei den wichtigen, richtungsweisenden Entscheidungen für den Landkreis parteiübegreifende Beschlüsse zu bekommen, so der neue und alte SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzende
Heinz Buss. Zu den personellen Besetzungen und inhaltlichen Schwerpunkten in der Gruppe Rot-Grün-
Plus mochte sich Buss noch nicht weiter äußern. Zunächst wolle man weitere Gespräche über die inhaltliche Arbeit führen, „die zum Ziel haben sollten, eine Vereinbarung zu schließen, die für die gesamte Wahlperiode gilt. Im Anschluss an diese Gespräche unterhalten wir uns über die personelle Besetzung der Gremien“, so Buss. Wichtig sei es, dass „klare und verlässliche Ziele mit allen Partnern vereinbart werden – zu denen alle Beteiligten in den kommenden Jahren stehen und sich daran messen lassen können.“ Die neue Mehrheitsgruppe müsse diszipliniert im Kreistag arbeiten“, so Heinz Buss. CDU-Kreisvorsitzender Dirk Gronewold (unten) bedauert das Vorgehen der SPD. „Unser Ziel war es, den Landkreis Wittmund mit einer breiten Mehrheit im Kreistag stark zu machen – das war unser
Angebot.“ Nun werde die CDU als Minderheit ihre Oppositionsrolle annehmen und sich konstruktiv einbringen. Bei wichtigen Fragen werde man sich nicht verschließen, aber auch Wert darauf legen, eigene Akzente zu setzen. Bernd Mayer (Linke) hätte auch mit einer knappen Mehrheit von Rot-Grün-Rot leben können, aber: „Auch mit der jetzigen Konstellation kann ich leben. Ich bin leidenschaftlicher Kommunalpolitiker und möchte mit der neuen Mehrheit etwas bewegen.“ Holger Heymann habe sich einen guten Namen gemacht „Er ist der Landrat, den der Landkreis Wittmund verdient“, so Mayer. Er könne nach wie vor nicht nachvollziehen, wieso sich der bisherige gewählte Landrat Matthias Köring „nach so kurzer Zeit in jungen Jahren zurückzieht. So etwas gehört sich nicht.“
Herbert Potzler (BFB) sagte: „Diese neue Konstellation ist ganz in meinem Sinne – es muss Schluss sein mit der Großen Koalition, die lebhafte Diskussion hat gefehlt.“ Heiko Reents (EBI) freut sich, dass er als neues Mitglied des Kreistages gleich der Mehrheitsgruppe angehören wird: „So habe ich die Chance mitzuwirken, statt am Rande zu sitzen.“ Innerhalb der Gruppe erwartet Reents eine
„spannende und konstruktive“ Zusammenarbeit. „Wir müssen nicht 23 Freunde sein, macht der Esenser deutlich, dass es nun gelte, intern den Kurs abzustecken und dann geschlossen aufzutreten. Auf der Ebene der Samtgemeinde Esens habe die EBI schon gezeigt, dass sie mit SPD und Grünen zum Beispiel beim Thema Windkraft gut zusammenarbeiten könne Im nächsten Schritt wird sich Rot-Grün-Plus auf eine inhaltliche Linie verständigen, so Martin Mammen (Grüne). Über Posten – zum Beispiel, ob die Grünen einen stellvertretenden Landrat stellen werden – werde man „erst ganz am Ende reden“.