Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen bedankt sich bei Margret Cornelius für ihr Engagement für die Ehrung von Trude Helmke.
Viele Genossen und Genossinnen, angefangen vor vielen Jahren bei Claus Adams, Heinz Nollau, Hanna Mienits über zuletzt Karin Evers-Meyer hatten die Idee "unserer Trude" in Wittmund einen Platz zu widmen. Nun hat Margret Cornelius in Zusammenarbeit mit dem Geschichtskreis, dem Heimatverein,dem Stadtarchiv und .....

.....natürlich mit der Hilfe der Familie Helmke es zum 101. Geburtstag geschafft, Trude gebührend zu ehren.

101 Jahre alt geworden –
Antrag für Widmung
Die Kinder Monika Veit, Werner und Horst Helmke kamen gestern, um mit Unterstützern zu feiern. VON INGA MENNEN
WITTMUND – „Das war keine leichte Zeit, in der Mutter anfing, sich so zu engagieren“, sagte gestern Werner Helmke.
Er und seine beiden Geschwister, Horst Helmke (Aurich) und Monika Veit (Hannover), waren
gestern extra nach Wittmund gereist, um gemeinsam mit vielen Unterstützern den Geburtstag von der Mutter Trude Helmke, die 101 Jahre alt geworden wäre, zu feiern.
„Es ist schön, dass engagierte Menschen sich jetzt stark dafür machen, dass Mutter geehrt wird“, sagte der 75-jährige Werner Helmke, der in Birkenau am Odenwald wohnt. Wie berichtet, ging von der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen in Wittmund die Initiative aus, einen Platz nach Trude Helmke zu benennen. „Am Donnerstag habe ich den Antrag bei der Stadt eingereicht“, sagte Margret Cornelius, die sich gestern über den guten Zuspruch freute und zum gemeinsamen „Happy Birthday“ einstimmte für die 1994 verstorbene Mitbegründerin der Lebenshilfe, die als Kriegswitwe ihre drei Kinder allein großzog, sich politisch engagierte, für den Bau des Krankenhauses einsetzte und im Vorstand es Reichsbundes Niedersachsen arbeitete. „Ich kann mich noch dran erinnern, wie meine Mutter für 28 000 Euro das Haus in der Gartenstraße baute“, erinnerte sich Werner Helmke. Ihre Kinder sind stolz auf Trude Helmke, die so viel für Wittmund und die
Menschen getan hat. „Schön wäre es doch gewesen, wenn man ihr im vergangenen Jahr, zum 100. Geburtstag, bereits einen Platz gewidmet hätte“, sagte der 73-jährige Horst Helmke der heute in Aurich wohnt. Karl-Heinz Krüger vom Vorstand der Lebenshilfe möchte nur ein Ziel verfolgt wissen, dass im nächsten Jahr, wenn die Lebenshilfe ihr 50-jähriges Bestehen feiert, der Platz am Jan-Schüpp-Brunnen neben dem „Huus bi d’ Pütt“ Trude-Helmke-Platz heißt. Der Standort sei sehr gut gewählt, so die Kinder der Verstorbenen. Hanna Mienits oblag es gestern, eine Laudatio für Trude Helmke zu sprechen. „Sie hat mich
in den acht gemeinsamen Jahren geprägt und wurde zu meinem Vorbild“, so Mienits, die aus dem Leben der aktiven Frau berichtete. Grundlage ihrer Rede waren Auszüge aus dem Tagebuch von Trude Helmke, das die Familie ihr zur Verfügung gestellt hatte. Durch die Heirat mit dem Molkereifachmann Fritz Helmke, dessen Mutter in Wittmund wohnte, kam sie nach Ostfriesland, geboren wurde Traudchen „Trude“ Helmke nämlich als eines von elf Kindern in Schönecken in der Eifel. 1941 fiel ihr Mann Fritz im Krieg – sie war auf sich allein gestellt. „Das Schönste war für mich ein Sparziergang mit Trude. Die Menschen in Wittmund
sprachen sie mit Namen an, baten um Hilfe. Trude hörte zu, hatte Geduld und Verständnis. Und wenn sie diesen Menschen eine positive Rückmeldung gebenkonnte, strahlte sie von innen heraus. Daraus schöpfte sie wieder Kraft“, so Hanna Mienits, die acht Jahre mit Trude Helmke im Stadtrat und vier im Kreistag tätig war.

Quelle: Anzeiger für Harlingerland vom 12.4.2014

Hier noch die sehr persönlich gehaltene Laudatio von Trude Helmkes langjährige Weggefährtin Hanna Mienits:

Es ist mir eine große Ehre, eine Laudatio für eine große Frau Wittmunds zu halten!

Trude Helmke.

Nach dem Anruf war ich zunächst etwas erschrocken, bat um etwas Bedenkzeit, habe dann aber schnell zugesagt, weil es eine großartige Gelegenheit ist, Trude, wie sie liebevoll genannt wurde, postum zu danken. Sie hat mir bei meinen ersten Gehversuchen in der Wittmunder Politik sehr zur Seite gestanden hat. Sie hat mich in den acht gemeinsamen Jahren sehr geprägt und wurde mein großes Vorbild.

Die unzähligen Verdienste dieser Frau für den Landkreis und der Stadt Wittmund sind oft erzählt und dokumentiert worden. Es wäre „Eulen nach Athen“ tragen, wenn ich nur darüber berichten würde.

Ich habe mir gedacht: Ich möchte Ihnen heute ein bisschen mehr über ihr Leben und wie sie nach Wittmund gekommen ist, erzählen. Das mir das möglich ist, verdanken wir der Tatsache, dass Trude ein Tagebuch geführt hat und mir daraus Auszüge von der Familie Helmke zur Verfügung gestellt worden sind. Herzlichen Dank dafür. Dieser Blick in das Leben mit zwei Kriegen läßt uns dann vielleicht besser begreifen, woher diese Frau den Willen und die Kraft hernahm und was sie motivierte.

Ich habe übrigens ganz nebenbei beim Lesen sehr viel über die Ge-
fühlswelt meiner Eltern in der Kriegszeit erfahren.

101 Jahre zurück. Ein kleiner Ort im schönen Odenwald, 1450 Einwohner (hat er heute auch noch).
Interessant gerade jetzt zu Ostern: die Schönecker Eierlage. Ein kleines Haus mit Stall, zwei Kühe, 1 Schwein und viele Hühner und ein kleiner Garten. Hier wurde Traudchen, wie sie liebvoll in ihrer Familie genannt wurde, hineingeboren. Bei 10 Geschwister kann man sich die Enge und die Sorge um das tägliche Brot gut vorstellen. Der erste Weltkrieg brach aus und der Vater fiel. Die Kinder wurden Kriegswaisen und mussten sicherlich der Mutter helfend beistehen.
So lernte auch Traudchen früh, Verantwortung zu übernehmen.
Sie war gerade 7 Jahre alt und es herrschte Armut. Und in ihr reifte langsam ein Traum: raus aus diese Enge und aus der Armut.
Nach der Volksschule ging sie in Stellung in einem Haushalt in Koblenz. Sie hat sich so geekelt, als sie ein Huhn rupfen sollte.

Mit 18 durfte sie auf eine Haushaltsschule. Rechnen und Buchführung gehörten zum Lehrstoff. Darauf baute sie auf und absolvierte eine Lehre zur Kontoristin und Stenotypistin. Sie war 22 Jahre alt, haben das Jahr 1935 und sie arbeitet zunächst in einem Zeitungsverlag.
Der Nationalsozialismus schürte große Träume und auch Trude ließ sich mitreißen. Das Tagebuch beschreibt später, dass sie den schon fast rührenden Versuch unternommen hat, Fotos aus dieser Zeit mit Tip-Ex zu retuschieren.

Wir schreiben das 1936. Eine große Schicksalswende steht an. Sie findet eine Arbeit in einer Molkerei in Ottfeld. Dort arbeitet auch ein Molkereifachmann namens Fritz Helmke , gebürtig aus Ostfriesland.
Eine gro?e Liebe beginnt. Im August kennengelernt, im Oktober geheiratet, Anfang Januar nach Wittmund zur Schwiegermutter gezogen. Fritz arbeitet in Fallingbostel,Traudchen in Wilhelmshaven.
Sie sehen sich nur alle 4 Wochen. Kein Wunder: Prinz Werner kündigte sich an. Er wurde im Januar geboren. Sie waren zu dritt.

Ihr Fritz war mittlerweile zur Wehrmacht eingezogen,- und ab dem ersten September 1939 zog er in den Krieg. Heimaturlaub nur 2 mal im Jahr für drei Wochen und ein paar Tage zur Geburt eines Kindes.
Ihr zweiter Sohn Horst, der eigentlich ein Mädchen werden sollte, kam im August 1940 zur Welt. Er sollte seinen Vater nie richtig kennen-lernen.

Das Schicksal schlug erbarmungslos zu. Fritz fiel am 09.07.1941 als einer der ersten aus Wittmund.
Erst 2 Jahre später hellte sich das Schicksal von Trude ein bißchen auf:

Sie schrieb:

Ich spüre, wie mein Blick sich hebt
und fern in alle Welten geht.
Ein Schleier fällt, das Leben ruft,
ein neues Hoffen, neuer Mut.

Eine alte Jugendliebe aus ihrer Heimat war in Wittmund stationiert: Willi Blasen. Sie finden zueinander. Aber eine neue Liebe unter dem großen Schatten von ihrem Fritz hatte wohl auf Dauer keine Chance.
Aber ihr Wunsch nach einer Tochter wurde ihr erfüllt. Monika wurde geboren.

Dann ist endlich der Krieg vorbei!

Es folgt eine abenteuerliche Reise in den Odenwald. Wie mutigund willensstark muss eine Frau sein, die alleine unter den widrigsten Umständen nach Hause zur Mutter fährt. Mit Bahn und Bus,-über den Rhein zu Fuß über eine Behelfsbrücke und die letzten 8 KM in strömenden Regen. Zerbombte Häuser, Munitionsberge am Wegesrand und viele, viele Soldatengräber.
Sie sucht auch den Vater von Monika,- aber der ist noch in Gefangenschaft.

Im Sommer 45 findet sie für sich und die Kinder eine Wohnung mit Garten in der Auricher Straße. Sie teilen das Haus mit vielen anderen Menschen. Die Armut blieb und der Hunger! Einmal in ein Brot beißen, in dem man dann die Zähne in der Margarine sah. So sahen damals Kinderträume aus.


Sie schreibt:

Nun ist die Nacht gewesen, und es wird wieder Tag,
wirft Licht in meine Seele, die tief im Schatten lag.
Ich falte meine Händeund danke meinem Gott
ob dieser Schicksalswende,Befreiung aus der Not.
Wie soll ich wiederfinden mich nun in all dem Licht,-
so bang ist noch das Hoffen, ob auch die Nacht entwich.
(Oktober 1947)

Ein neuer Lebensabschnitt beginnt.
Auricher Straße: völlig überbelegtes Flüchtlingslager mit einem Büro
des Reichsbundes der Kriegs- und Zivilgeschädigten Hinterbliebenen, Witwen und Waisen.
Hier findet sie eine Anstellung als Hilfskraft. Mit Feuereifer arbeitet sie sich in die Rechtslage der vom Krieg geschädigten Menschen ein.

Ostfriesland war weit weg von Bonn, wo die Bundesrepublik Deutschland aus den drei Westzonen entstand. Erst die SPD bei der Bundestagswahl gewählt,
dann drei Jahre später in die SPD eingetreten. Sie spürte,dass, wenn sie etwas verändern wollte, brauchte sie eine Plattform zum Handeln.

Beim Reichsbund stieg sie durch ihre Kenntnisse und durch ihr au?er-
gewöhnliches Engagement schnell in den Landesverband auf. Beim Bundeskongress in Hamburg stand sie beim Empfang im Rathaus
unter den großen Gemälden der ehrwürdigen Bürgermeister der Hansestadt und sie wußte: Es lohnt sich, sich für die Menschen ein-
zusetzen.
Und das tat sie: Als einzige Frau wurde Sie Mitglied im Stadtrat und im Kreistag, wird stellvertretende Landrätin und bald auch Fraktionsvorsitzende im Stadtrat. Das Wittmunder Krankenhaus und die Gründung der Wittmunder Lebenshilfe für behinderte Menschen
sind nur zwei Beispiele ihrer hervorragenden Arbeit.

Ich durfte noch 8 Jahre mit ihr im Stadtrat arbeiten und vier Jahre saßen wir zusammen im Kreistag. Wir entdeckten bei uns viele Gemeinsamkeiten.
Und Trude hatte schon so viel Erfahrung. Der Fremdenverkehr, Soziales, Jugend- und Kultur waren unseren gemeinsamen Schwerpunkte.


Erzählen von der Fahrt nach Enkheuszen (Sielhafenmuseum)
Warnung vor den See- und Strandräubern aus Carolinensiel

Frauentag in Wittmund, Schirmherrin, ohne Hausfrauenbund und
Landfrauen (der Zeit voraus)

Ausstellung zum Thema Umweltschutz und Energiesparen, Anfang der 80 Jahre.mangels Beteiligung nicht zustande gekommen.

Sucht-und Drogenberatungsstelle für den Landkreis. Trudes Konter
gegen Hermann Creuzenberg.


Und Trudes großer TRAUM von einem eigenen Haus sollte sich auch noch erfüllen. Bis drei Jahre vor ihrem Tod hat sie dort in der Gartenstraßein Wittmund gewohnt, dann kehrte sie in die Eifel zu ihren Kindern zurück.

Das schönste war für mich ein „Spaziergang“ mit Trude durch Wittmund. Die Menschen grüßten sie mit Namen, sprachen sie an,
baten um Hilfe. Trude hörte zu, hatte Geduld und Verständnis und
keine Vorurteile. Und wenn sie für diesen Menschen eine positive Rückmeldung geben konnte, dann strahlte sie von innen heraus.
Daraus schöpfte sie wieder neue Kraft.
Sie war ein Mensch mit sehr viel Emphatie, wie man sie heute leider nur noch selten findet. Ihre Lebenserfahrung mit allen Höhen und Tiefen haben ihr sicher sehr geholfen.

Ich denke, Trude Helmke war für Wittmund ein großer Glücksfall und ich wundere mich, dass die Stadt Wittmund nicht von alleine darauf
gekommen ist, ihr zum 100. Geburtstag eine Straße oder einen Platz zu widmen.
Ich finde, dieser Platz mit dem Treffpunkt im Haus der Lebenshilfe bietet sich förmlich dafür an. Und ich freue mich, dass es Menschen gibt,die sich dafür stark machen.

Ich bedanke mich fürs Zuhören.